We are glad to remind you of the Internationale Tagung Jacobi und Hegel.
The conference, as part of the Akademieprojekt „Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel. Text – Kommentar – Wörterbuch Online“, will take place on June 16th-18th, 2025, at the Forschungszentrum für Klassische Deutsche Philosophie / Hegel-Archiv at the Ruhr-Universität Bochum and online.
The event is organized by Birgit Sandkaulen, Stefan Schick, Oliver Koch, Johannes-Georg Schülein, and Markus Gante, in cooperation with the Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.
To register, please email forschungszentrum-kdp@rub.de. Online participation via Zoom is also possible: please mention this in your email.
You can find the speakers’ abstracts and short bios at this link.
Below you can find the presentation of the event and the program.
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In seiner Heidelberger Rezension von 1817 schreibt Hegel dem Denken Jacobis epochale Bedeutung zu. Gemeinsam mit Kant hat Jacobi „die Notwendigkeit einer völlig veränderten Ansicht des Logischen begründet“ und damit „in der Geschichte der Philosophie überhaupt eine bleibende Epoche gemacht.“ Anlässlich von Jacobis Tod 1819 spricht Hegel dann sogar von einem „Wendepunkt der geistigen Bildung der Zeit sowie der Individuen“, den Jacobi heraufgeführt hat. Nichts weniger als seine eigene intellektuelle und existentielle Biographie schließt Hegel in dieser Notiz an Niethammer mit ein: „Man fühlt sich immer verlassen, je mehr dieser alten Stämme, zu denen man von Jugend an hinaufgeschaut hat, eingehen.“ Für „die Welt, in der wir uns unsere Existenz vorstellen“, war Jacobi „einer der festen Halte.“
Gemessen an solchen Äußerungen erstaunt es, dass eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Jacobi und Hegel immer noch am Anfang steht. Vielleicht ist der Grund dafür oberflächlicher Natur: Anders als mit Fichte und Schelling hat Jacobi, von seiner ironischen Replik auf Hegels „Glauben und Wissen“ abgesehen, mit Hegel keine großangelegte Debatte geführt. Hegels Hauptwerke ab der „Phänomenologie des Geistes“ hat er nicht mehr wahrgenommen. Umgekehrt stammen von Hegel zwei der auffälligsten und bissigsten Texte zu Jacobi überhaupt, die genannte Schrift „Glauben und Wissen“ (1802) und der Vorbegriff zum „Unmittelbaren Wissen“ in der „Enzyklopädie“ (1830), die Hegels Werk gleichsam einrahmen. Fehlende Äußerungen bei Jacobi einerseits, Hegels äußerst kritische Distanzierung andererseits – von weitem hat es den Anschein, als gebe es über Jacobi und Hegel nichts zu sagen, außer dass wir von Hegel die Gründe dafür erfahren, warum die Formation der postkantischen Philosophie die Position Jacobis hinter sich gelassen hat.
Wie verkehrt diese Einschätzung ist, geht nicht nur aus den programmatischen Äußerungen Hegels zur epochalen Bedeutung Jacobis hervor. Hegels durchgehende Beachtung Jacobis zieht sich darüber hinaus durch sein ganzes Werk: von den Jenaer Schriften angefangen, über die „Phänomenologie des Geistes“, die „Wissenschaft der Logik“, die Rechtsphilosophie und die „Enzyklopädie“ bis hin zur Religionsphilosophie gibt es keinen Text, in dem sich Hegel nicht explizit und implizit und nicht selten unter Verwendung wörtlicher Formulierungen mit Jacobi auseinandergesetzt hätte. Folgt man diesen Spuren, kann man ohne Übertreibung sagen, dass das Verhältnis zwischen Jacobi und Hegel eines der spannendsten Verhältnisse in der klassischen deutschen Philosophie ist. Hegel gewinnt seine Position nicht, indem er – wie Fichte oder Schelling – mit Jacobi übereinzustimmen sucht, sondern indem er sich an den Gelenkstellen seines Denkens von Jacobi abstößt und eben darin dauerhaft mit Jacobi verbunden bleibt. Die Figur der vermittelten Unmittelbarkeit ist dafür symptomatisch.
Aus dieser Konstellation ergibt sich das Interesse und die besondere Herausforderung, das Verhältnis zwischen Jacobi und Hegel zu diskutieren. Es muss dies nach allem eine systematische Debatte sein. Wo knüpft Hegel an Jacobi an und mit welchen Argumenten will er zeigen, dass seine eigene Philosophie eine triftige Alternative zur Position Jacobis darstellt? In welchen Philosophiefeldern spielt dieser Rekurs eine herausgehobene Rolle und warum? Und warum kommt diese Debatte über Hegels ganzes Werk hinweg bis zum Schluss nicht zu Ende und lässt sich dementsprechend nicht auf einen initiativen Einfluss verkürzen? Aber auch vice versa: Wie stellt sich die Formation der Hegelschen Position dar, wenn man sie aus Sicht der Position Jacobis betrachtet? Was spricht aus dieser Sicht für Hegel oder was kann man aus dieser Sicht aus systematischen Gründen gegen Hegel einwenden? Welche Konsequenzen hat es für unser Verständnis von Philosophie und philosophischem Denken, solche differenten Sichtweisen zu eröffnen? Und um welche Motive geht es dabei, wenn eines der gemeinsam vertretenen Anliegen übereinstimmend „Freiheit“ heißt?
Die geplante internationale Tagung „Jacobi und Hegel“ ist die erste Tagung zum Thema überhaupt. Ziel ist es, die skizzierte systematische Auseinandersetzung zum Verhältnis zwischen Jacobi und Hegel anzustoßen und zu führen. Bewusst geht der Programmablauf nicht historisch oder werkgeschichtlich vor. Vielmehr sind die geplanten Panels in logischer, epistemologischer und praktischer Perspektive an Begriffen oder Konzepten orientiert, die ins Zentrum der jeweiligen Position zielen und geeignet sind, die Debatte so genau und so aktuell relevant wie möglich zu konturieren.
Die Anbindung der Tagung an das an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig angesiedelte Akademienprojekt „Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel. Text – Kommentar – Wörterbuch Online“ dient nicht nur der wechselseitigen Beförderung von Tagungsbeiträgen und Wörterbuchartikeln, sondern hält auch im Blick auf Jacobis Briefwechsel eine treffende Pointe bereit. Im Jahr 2025 wird mit JBW 15 der letzte Band des Briefwechsels aus den Jahren 1811-1819 erscheinen, in dem sich Jacobis berühmter Brief an Johannes Neeb vom 30.05.1817 mit seiner Replik auf Hegels Heidelberger Rezension findet: „Der Unterschied zwischen Hegel und mir“ besteht darin, dass Hegel vom Spinozismus zu „einem System der Freiheit“ hinauskommt „auf einem nur noch höheren, aber gleichwohl demselben (also im Grunde auch nicht höheren) Wege des Gedankens – ohne Sprung; ich aber nur mittels eines Sprunges“. Und: „Er mag wohl recht haben, und gern wollte ich mit ihm noch einmal alles durchversuchen, was die Denkkraft allein vermag.“ Etwas in dieser Art möchte die Tagung sein: Ein systematisches Durchversuchen der möglichen Optionen im Verhältnis zwischen Jacobi und Hegel.
Program
Montag, 16.06.2025
09.30 – 09.45 Uhr Begrüßung: Philipp Richter (Dekan der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft), Birgit Sandkaulen & Oliver Koch für das Organisationsteam
Panel 1: Eine „völlig veränderte Ansicht des Logischen“: Metaphysik und Kritik (in der Wissenschaft der Logik)
Moderation: Sally Sedgwick (Boston University)
09.45 – 11.00 Uhr Stephen Houlgate (Warwick): Hegel, Jacobi und das Sein
11.15 – 12.30 Uhr Gunnar Hindrichs (Basel): Die Auflösung der Selbständigkeit
12.30 – 15.00 Uhr Mittagspause
Moderation: Johannes-Georg Schülein (Bochum)
15.00 – 16.15 Uhr Giulia Bernard (Padua): „Eine Art von Ergänzung“: Jacobis Problemstellung einer „völlig veränderten Ansicht des Logischen“ in Hegels Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes
16.30 – 17.45 Uhr Victor Béguin (ENS Paris): Jacobi and Hegel on Negation and Negativity
18.15 – 19.30 Uhr Andreas Arndt (HU Berlin): Wahrheit und Gewissheit
Dienstag, 17.06.2025
Panel 2: Formen des Wissens/Philosophie des Geistes
Moderation: Jürgen Stolzenberg (Halle/Saale)
9.30 – 10.45 Uhr James Kreines (Claremont McKenna College): Ohne Sprung: Overcoming Ground, With or Without a Leap?
11.00 – 12.15 Uhr Stefan Schick (Leipzig): Spekulation oder Unphilosophie? Hegels und Jacobis Überwindungen einer abstrakten Philosophie des Unbedingten
12.15 – 13.30 Uhr Mittagspause
Moderation: Johannes Haag (Potsdam)
13.30 – 14.45 Uhr Brady Bowman (Pennstate University): Der „philosophische, in der Reflexion bestätigte Glaube“. Unmittelbarkeit, Erfahrung und Konzepte der reflexiven Selbsterhellung bei Hegel und Jacobi
15.00 – 16.15 Uhr Angelica Nuzzo (Graduate Center and Brooklyn College CUNY): Leaving Kant’s Transcendentalism Behind: Anschauung, Vernunft-Anschauung, Begriff – Jacobi and Hegel
Moderation: Oliver Koch (SAW Leipzig)
16.45 – 18.00 Uhr Ulrich Schlösser (Tübingen): Rekonstruktion und Kritik des Idealismus. Hegels Logik der Reflexion vor dem Hintergrund der Schriften Jacobis
18.15 – 19.30 Uhr Birgit Sandkaulen (Bochum): Gibt es eine Wissenschaft des Geistes?
Anschließend: Empfang
Mittwoch, 18.06.2025
Panel 3: Dimensionen praktischer Freiheit
Moderation: Peter Jonkers (Tilburg)
09.30 – 10.45 Uhr Thomas Hanke (Münster): „Gott ist Geist“. Gottesbegriff und Gotteserkenntnis bei Hegel und Jacobi
11.00 – 12.15 Uhr Haengnam Lee (Seoul National University): “Das wahre Gewissen” in Jacobis Woldemar und Hegels Rechtsphilosophie
12.15 – 13.30 Uhr Mittagspause
Moderation: Markus Gante (Bochum)
13.30 – 14.45 Uhr Marco Ivaldo (Neapel): Interpersonalität und Anerkennung zwischen Jacobi und Hegel
15.00 – 16.15 Uhr Guido Frilli (Florenz): Political Virtue in Jacobi and Hegel
16.15 Uhr Ende der Tagung
For further information, please visit the website of the event.